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Begutachtung im Familienrecht - Folge 3: Einbestellungen

Tutorial für Sachverständige

von Judith Arnscheid und Reinmar du Bois




Hindernisse bei der Einbestellung


Die Einbestellungen zu den Untersuchungsterminen erfolgen schriftlich mit Benachrichtigung des den Auftrag erteilenden Gerichts. Einladungsbriefe können oft nicht zugestellt werden, etwa weil eine Elternseite umgezogen ist und die neue Adresse noch nicht bekannt gegeben wurde. Es ist nachvollziehbar, dass Parteien, die die Begutachtung nicht selbst angeregt haben und mit ihr keine eigenen Interessen verfolgen oder den Vorgang als Zumutung und Bedrohung ihrer Situation erleben, auf die Einbestellungen zum Teil nicht reagieren oder diverse Verhinderungen geltend machen. Obwohl die Teilnahme an den Begutachtungen ohnehin freiwillig ist, kommt es selten vor, dass eine nicht kooperierende Partei die Teilnahme an der Begutachtung offen ablehnt, vermutlich, weil dieselbe Partei bei der vorausgegangenen Gerichtsverhandlung einer Begutachtung noch widerstrebend zugestimmt hatte. Bisweilen gelingt es den Verfahrensbevollmächtigten ihre Mandanten zur Teilnahme nochmals zu motivieren. Wenn die persönliche Mitwirkung eines zu begutachtenden Elternteils oder eines zugehörigen Kindes scheitert, kann ein Gericht nach Beratung mit dem Gutachter den Auftrag auch ohne die persönliche Mitwirkung, d.h. nach Aktenlage durchführen lassen. Es muss jedoch Aussicht bestehen, dass die Untersuchung dennoch zu einem aussagefähigen Ergebnis gelangen kann. Ergänzend kann das Gericht eine Person, die den Einbestellungen des Gutachters keine Folge leistet, zu einer mündlichen Verhandlung ins Gericht laden und ggf. vorführen lassen. Hierbei bietet sich dem Gutachter/ der Gutachterin Gelegenheit, die Person in Augenschein zu nehmen und evtl. im Gerichtsgebäude eingehender zu explorieren.



Untersuchung in eigener Praxis oder Hausbesuche


Viele Gutachter verfügen nicht über eigene Praxisräume, sondern explorieren die betroffenen Eltern und deren Kinder in der heimatlichen Umgebung. Wo dies nicht möglich oder nicht erwünscht ist oder aus sachlichen Gründen unzumutbar erscheint, finden die Explorationen in Räumen des zuständigen Jugendamts, des Kinderschutzbundes, des Kindergartens oder der Schule statt. Gutachter mit eigenen Praxisräumen haben die Möglichkeit, Untersuchungen in einer standardisierten Fremdsituation durchzuführen.


Die Frage der Durchführung von Hausbesuchen kann zum methodischen Streitgegenstand werden. Weniger die Gerichte als vielmehr einzelne Parteien wünschen einen Hausbesuch und erkennen im Verzicht darauf sogar ein methodisches Versäumnis. Dies betrifft vor allem Parteien, die erwarten, dass sich ein Kind bzw. dessen Lebensumstände am Wohnort dieses Elternteils besonders vorteilhaft darstellen. Tatsächlich trifft es zu, dass Hausbesuche, falls gewisse Verschönerungseffekte durchschaut werden, gute Einblicke in die konkreten Lebensumstände eines Kindes bieten. Sie können dessen Verhalten in einer naturalistischen Situation zeigen, wo das Kind sich seiner dort vorhandenen Ressourcen bedienen kann, sich aber auch mit den dortigen Belastungen und Risiken auseinandersetzen muss. Bedenken Sie als Gutachter jedoch, dass Sie mit einem Hausbesuch eine Methode replizieren, die bereits vom Jugendamt und ggf. einem Verfahrensbeistand verwendet wurde. Diese Professionen reklamieren zu Recht die Kernkompetenz für die Beurteilung der Lebensumstände eines Kindes und können diese oft sogar über einen längeren Verlauf verfolgen und anhand konkreter Ereignisse außerhalb eines angemeldeten Besuchs belegen. Sie kommen als Gutachter nicht umhin, alle bisherigen Erkenntnisse aus dem Bereich der Sozialpädagogik zu berücksichtigen und zu bestätigen. Fall ihr gutachtlicher Eindruck von diesen Erkenntnisse abweicht, stehen sie argumentativ vor großen Schwierigkeiten. Weniger schwer wiegt der Einwand, dass Sie sich bei Hausbesuchen gegen den Verdacht wehren müssen, sie könnten die Wohnverhältnisse und den Lebensstandard bei Sorgerechtsentscheidungen in Ansatz bringen und die Bindungen und Neigungen eines Kindes vernachlässigen. Diesem Verdacht müssen Sie natürlich entschieden entgegentreten.


Wenn Sie Ihre Untersuchungen in neutraler Umgebung durchführen, heben Sie sich - manchen Einschränkungen zum Trotz und auch wenn Ihnen intimere Einblicke verwehrt bleiben - methodisch sicherer von der Arbeitsweise des Jugendamtes ab und verleihen den Techniken der psychodiagnostischen Exploration das ihnen zukommende eigenständige Gewicht. Nur in eigenen Praxisräumen können Sie die Eltern-Kind-Beziehungen, das Bindungsverhalten und die psychische Verfassung und Denkweise der Kinder anhand objektiver Parameter beurteilen und mit vorhandenen Standards (Verhalten in einer normierten Fremdsituation) vergleichen. Bei Hausbesuchen hingegen sind Sie (gemeinsam mit allen auf- und abtretenden Personen) suggestiven Einflüssen unterworfen, die das Verhalten und die Wahrnehmungen um- und ablenken. Sie sind außerstande, die vielen und oft chaotischen Begleitumstände, die sich auf das Verhalten der Beteiligten auswirken, vorherzusehen, zu kontrollieren oder zu überprüfen. Die Fehlerquellen sind also beträchtlich.



Termingestaltung und Befragung von Dritten


Vor Einbestellung der Parteien erstellen Sie einen Untersuchungsplan. Bei der Planung haben Sie große Gestaltungsspielräume – mit Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten. Die Planung orientiert sich an der Länge der Anreise unserer Probanden und an Ihren eigenen Arbeitsgewohnheiten. Sie können Ihre Probanden mehrmals zu kürzeren Terminen oder kompakt an halben oder ganzen Tagen einbestellen. Lange Termine müssen Sie durch geeignete Pausen unterbrechen. Zeitpunkt, Dauer und Gegenstand aller Untersuchungen müssen protokolliert werden.

Den Kern der Begutachtung bilden Einzelexplorationen der Eltern oder Ersatzeltern ggf. auch einzelner Großeltern, die eine elterliche Funktion ausüben, sowie Untersuchungen der Kinder und der Interaktion zwischen Kindern und Eltern. Eine sinnvolle Zeiteinheit für alle Untersuchungen sind 50 bis 60 Minuten bzw. ein Mehrfaches davon. Für die oft mehrstündigen Explorationen der Eltern empfiehlt es sich, dass diese unbegleitet zum Termin erscheinen und die Kinder anderweitig betreuen lassen. Die Kinder ihrerseits werden üblicherweise mit jenem Elternteil zur Untersuchung einbestellt, bei dem sie leben. Dieser Termin bietet sich nicht nur für Explorationen der Kinder, sondern auch für Interaktionsstudien an. Für die Einholung ergänzender Auskünfte von Dritten benötigen Sie das schriftliche Einverständnis der Sorgeberechtigten. Den erweiterten Kreis befragter Personen (Sachbearbeiter im Jugendamt, Familienhelfer, Umgangsbegleiter, Verfahrensbeistand, Erzieher, Lehrer und Ärzte, Psychotherapeuten) sollten Sie so eng wie möglich ziehen und sich an konkreten Fragen orientieren, die sich aus dem Gutachtenauftrag ergeben. Die meisten Auskünfte von Dritten können telefonisch eingeholt werden. Bei der Auswahl der Gesprächspartner gilt es abzuwägen, in wieweit diese in Interessenkonflikte geraten könnten. Ggf. Steht ihnen das Recht zu, die Auskunft zu verweigern.



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